Coswig-Kötitzer Brückengeschichte
110 Jahre Eisenbahnbrücke Kötitzer Straße
Man sah es der Eisenbahnbrücke über der Kötitzer Straße wirklich an, dass sie nicht mehr die Jüngste war und eine Sanierung dringend nötig hat. Dass sie 110 Jahre, fast unverändert, ihren Dienst verrichten wird, hätten sich die Coswiger und Kötitzer damals sicher nicht träumen lassen. Sie hatten diese Brücke nämlich im wahrsten Sinne des Wortes erstritten. Es begann damit, dass der Coswiger Gemeinderat 1893 von der Königlichen Amtshauptmannschaft Meißen darüber informiert wurde, dass der Umbau der Coswiger Bahnhofsanlage auch eine Wegeverlagerung nötig machen wird.
Die Verhandlungen mit der zuständigen Königlichen Generaldirektion der sächsischen Staatseisenbahnen und der betroffenen Gemeinden Kötitz und Coswig gestalteten sich schwierig. Worum es bei dieser Wegeverlagerung genau ging, erfahren wir aus einer dreiseitigen Petition, die die Gemeinderäte von Kötitz, Coswig und der Nachbargemeinden an die Hohe Ständeversammlung des Königreichs Sachsen zur Durchsetzung ihrer Interessen am 8. Januar 1894 sandten. Darin heißt es u.a.:
"Petition der Gemeinden Coswig und Kötitz nebst Nachbargemeinden gegen die ohne genügenden Ersatz in Aussicht genommene Einziehung des Coswig-Kötitzer Communicationsweges als öffentlichen Fahrweg Seiten der Kgl. Staatsregierung für Eisenbahnzwecke
Zwischen den Ortschaften Coswig und Kötitz bestanden bis zum Jahre 1838 drei Verbindungswege. Aus Anlass des Baues der Leipzig-Dresdner Eisenbahn wurden in dem genannten Jahre diese drei Wege im Einverständnisse mit den Betheiligten eingezogen und dafür ein einziger breiter, für den Fahr- und Fußverkehr bestimmter Communicationsweg, der jetzt noch besteht, und zwar in ziemlich gerader Richtung von Kötitz (an der Elbe) bis Coswig, angelegt. … Gegenwärtig soll dieser Communicationsweg wegen der Umgestaltung der Coswiger Bahnhofsanlage in Coswiger Flur den Betheiligten – trotz des Rechts auf Erhaltung dieses Weges – ohne entsprechenden Ersatz dafür, eingezogen werden. Der Haupt-Verkehr soll auf einen – mindestens 600 m betragenden – Umweg gewiesen werden, dessen Benutzung für Alle nur nachtheilig ist und wohl nicht einem Einzigen einen Vortheil zu bieten vermag. Als theilweiser Ersatz soll ein schmaler, kaum für den Fußverkehr genügender ca. 50 m langer Tunnelweg – dessen Herstellung zu vermeiden schon aus sittlichen, sowie aus sicherheitspolizeilichen Gründen unter allen Umständen dringend gewünscht werden muß – geboten werden. …“
Die Verärgerung der Petenten kann man verstehen, wenn man sich die damalige Situation zwischen den Gemeinden Kötitz und Coswig verdeutlicht. Der Kommunikationsweg, dem die heutige Kötitzer Straße entspricht, war die kürzeste Verbíndung zwischen den damals noch selbständigen Gemeinden Coswig und Kötitz. Mit dessen Einziehung sollte der gesamte Fahrverkehr den Umweg über die heutige Straße Am Güterbahnhof und dann die Dresdner Straße zurück nehmen, also exakt die eben aktuelle Umleitungsstrecke. Kirche, Friedhof, Schule und Bahnhof befanden sich für die Kötitzer in Coswig. Da die meisten Dinge zu Fuß erledigt werden mussten und als Transportmittel vorwiegend Handwagen oder Pferdefuhrwerke dienten, fiel dieser Umweg schon ins Gewicht. Die Kötitzer Schulkinder hätten vielleicht als Einzige den geplanten Tunnel auf ihrem Schulweg toll gefunden. So endet die Petition der Gemeinderäte mit der Bitte an die Hohe Ständeversammlung, sich der Sache annehmen zu wollen und auf die Königliche Staatsregierung vermittelnd einzuwirken.
" … dass die Forderung auf entsprechenden Ersatz für den einzuziehenden Communicationsweg – der nach den gewiß berechtigten Wünschen durch Herstellung einer etwa sechs bis acht Meter breiten Unterführung des Weges geschaffen werden kann – nicht blos für den Fuß- sondern auch mindestens für den Verkehr mit niedrig beladenem Fuhrwerke von der Kön. Staatsregierung nach der angegebenen Richtung zu berücksichtigen ist. …“
Im April 1894 erhielt der Gemeinderat darauf eine Antwort von der Königlichen Generaldirektion der Sächsischen Staatseisenbahnen mit folgendem Wortlaut:
“Das Königliche Finanzministerium … ist geneigt, einem geäusserten Wunsche entsprechend den Coswig – Kötitzer Kommunikationsweg in einer lichten Weite von 7 Meter und in einer noch möglichen Lichthöhe von nur 3 bis 3,2 Meter für leichten Wagenverkehr unter dem Bahnhofe Coswig hindurchzuführen, dafern die Gemeinde unter gewissen Bedingungen eine angemessene Vorfluth für die Unterführung beschafft. …“
Damit bekamen die Gemeinden ihre geforderte Brücke genehmigt, hatten dafür aber ein Beschleusungsproblem, welches sie das restliche Jahr beschäftigen sollte. Am 26. November 1895 konnte dann die Kötzschenbrodaer Zeitung endlich melden:
Oft stand die Brücke nach heftigen Regenfällen unter Wasser. (Foto von 1912)
Und wir hoffen natürlich auch, dass die jetzigen Brückenbauarbeiten planmäßig im Juli 2006 zu Ende gehen werden. Man ist eben an den "Kommunikationsweg“ gewöhnt! Freuen wir uns auf eine 10 Meter breite Brücke mit Fuß- und Radweg und leistungsstarker Schleuse.
Zustand der Brücke im Jahr 2005 kurz vor Beginn der Bauarbeiten
Petra Hamann, Stadtarchiv