"Springer kommt!“

Coswiger Skisprung-Tradition

Es ist nicht überliefert, ob der früher übliche vorsorgliche Ruf beim Skispringen "Springer kommt!“ auch im Coswiger Spitz­grund erschallte. Sicher ist aber, dass es im Spitz­grund eine richtige Sprung­schanze gab. Mit etwas Fantasie ist ihr Standort heute noch gegenüber dem Spitzgrund­teich zu entdecken. Als Kinder blickten wir ehrfurchtsvoll zum Schanzen­tisch hinauf und wir bekamen frühzeitig eingeschärft, ja nicht den Abhang, der zum Schanzen­tisch führte, mit den Skiern hinunter zu fahren. Zum Glück war der Respekt vor der Schanze größer als der Mut.

Als es auch in Coswig noch zuverlässige Winter mit reichlich Schnee gab, war der nahe Friedewald ein wahres Wintersport­paradies für jedermann. Für die Sörnewitzer war es das Bosel­gebiet. Die beliebtesten Rodel­bahnen bekamen bezeichnende Namen wie "Knochen­brecher“ oder auch "Treppen­bahn“. Besonders der Spitzgrund­teich und der Sörnewitzer Elbteich lockten mit ihren Eisflächen zum Schlittschuh­laufen und auf "Bretteln“, die man oft schon an der Haustür anschnallen konnte, wurde manch Winter­ferien­tag verbracht. Der Wald oder die Nassau boten genügend "Loipen“ - einer war bestimmt schon vorher da.

Doch diese Möglichkeiten waren einigen Wintersport­enthusiasten nicht genug Herausforderung. 1953 setzten Mitglieder der Sektion Winter­sport der Coswiger Sport­gemeinschaft "Rotation“, allen voran Trainer und Übungsleiter Theo Mimler, ihren Traum vom Fliegen in die Tat um und bauten sich kurzerhand eine eigene kleine Sprung­schanze. Sie nutzten dabei die natürlichen Gegeben­heiten im Spitzgrund. Der steile Abhang wurde in der nötigen Breite von Bäumen und Unterholz beräumt und im Aufsprung­bereich mit Rasensoden belegt. Der Schanzen­tisch wurde aus Ziegel­steinen gemauert. Die mutigsten der Coswiger Skiläufer versuchten sich nun im Skispringen: u. a. Karl Walther, Siegfried Feldmann und Karl-Heinz Richter. Es gibt sogar einen überlieferten Schanzen­rekord, der bei 24 Metern steht.

Beim Bau der Schanze: Der Aufsprunghang wird mit Rasensoden belegt.

Wann der letzte Springer über den Coswiger Schanzentisch sprang, konnte bisher nicht in Erfahrung gebracht werden. Die allgemeine Skisprung­begeisterung in unserem Land erlebte damals gewiss einen Höhepunkt, als der legendäre Helmut Recknagel 1957/58 die Vier­schanzen­tournee, die seit 1952 ausgetragen wird, als erster Deutscher gewinnen konnte.

Dass Coswig kein Skisprung­mekka wurde, ist gewiss nicht überraschend. Aber mit den Langlauf­skiern durch den Friedewald zu fahren, ist heute noch immer ein Genuss, vorausgesetzt natürlich, dass es trotz der drohenden Klima­erwärmung ab und zu für eine entsprechende Schnee­decke reicht. Zum Rodeln reicht es allemal, was kürzlich das eine Schnee­wochenende zeigte, als sich Groß und Klein an den zahlreichen Rodel­hängen auf Coswiger Flur tummelte. So wurde auch der Aufsprung­hang der ehemaligen Sprung­schanze im Spitzgrund eifrig zum Schlitten­fahren genutzt, sicher ohne zu ahnen, dass da früher schon einmal ein Skispringer von oben kam.

Petra Hamann, Stadtarchiv

Herzlich sei Herrn Peter Schlögel gedankt, der mit seinen Informationen diesen Beitrag erst ermöglichte und somit dazu beitrug, dass die kühnen Skispringer und Schanzen­bauer von einst einen Platz in Coswigs Sportgeschichte erhalten.