"Mach's gut, Clara"
Die Währungsumstellung vor 20 Jahren
Die Rufe, die im Frühjahr 1990 immer lauter wurden: "Kommt die D-Mark nicht zu uns, kommen wir zur D-Mark“, veranlassten die neu gewählte Volkskammer der DDR zum schnellen Handeln. Zu viele DDR-Bürger hatten ihrem Land bereits den Rücken gekehrt. Am 18. Mai 1990, nur acht Wochen nach der Volkskammerwahl am 18. März, konnte der Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik unterzeichnet werden – heute ein historisch zu nennendes Ereignis. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl formulierte in seiner Erklärung anlässlich der Unterzeichnung auch entsprechend emotional:
"Dies ist eine historische Stunde im Leben der deutschen Nation. Wir sind zusammengekommen, um nach 45 Jahren der schmerzlichen Trennung ein Vertragswerk zu unterzeichnen, mit dem wir den ersten bedeutsamen Schritt zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands vollenden. Es ist eine glückliche Stunde, in der sich Hoffnung und Sehnsucht der Menschen in Deutschland erfüllen. Nach Jahrzehnten beginnt ein Traum Wirklichkeit zu werden: der Traum von der Einheit Deutschlands und Europas. …"
Dieser Vertrag, der zum 1. Juli 1990 in Kraft trat, setzte einen Meilenstein zur Herstellung der inneren Einheit Deutschlands. In seiner Anlage I wurden die Bestimmungen über die Währungsunion und Währungsumstellung verkündet. Man legte fest, dass mit Wirkung vom 1. Juli 1990 die Deutsche Mark als Währung in der Deutschen Demokratischen Republik eingeführt wird. Kürzer sagte das ohne Wehmut die Sächsische Zeitung in ihrer Ausgabe vom 30. Juni/1. Juli 1990:
"Mach‘s gut, Clara“
Schon Wochen vor diesem epochalen 1. Juli 1990 herrschte auf den Sparkassen Hochbetrieb. Die Umstellungsanträge der Bürger für ihre Bankkonten mussten bearbeitet werden. Die Konten wurden nach genau definierten Umtauschsätzen von Mark der DDR auf Deutsche Mark umgestellt.
Das Landratsamt akquirierte kurzfristig geeignetes Personal aus den Stadt- und Gemeindeverwaltungen des Kreises zur Unterstützung der Bankangestellten. Pünktlich am 1. Juli wollte natürlich jeder ausreichend vom lang ersehnten "Westgeld“ in den Händen halten. Geld bekam man in Coswig nur am Schalter der einzigen Sparkasse und ihrer Zweigstellen, der Volks- und Raiffeisenbank oder der Post, denn Geldautomaten gab es in der DDR bisher nur vereinzelt in größeren Städten. Für den ersten Tag der Ausgabe der D-Mark am Sonntag, dem 1. Juli, wurden zusätzliche Auszahlstellen eingerichtet.
In der Hochphase der Währungsumstellung wurden vor der Coswiger Sparkasse Stühle für die Wartenden aufgestellt.
Vielerorts, auch in Coswig, wurde dieser historische Sonntag mit Freudenfeuerwerk begrüßt. In der Nacht vom 30. Juni zum 1. Juli 1990 fand gewissermaßen ein wirtschaftspolitisches Großexperiment statt. Es wurde begleitet von großen Erwartungen und ebenso großer Skepsis der Bürger. Nie zuvor in der Geschichte gab es einen kompletten Austausch der schwachen Währung eines wirtschaftlich fast handlungsunfähigen Landes mit der harten Währung eines vermögenden Landes. Gleichzeitig wurde damit die Planwirtschaft der DDR durch das marktwirtschaftliche System der BRD abgelöst, mit allen damals noch nicht bis in die letzte Konsequenz absehbaren Folgen. Diese Währungsunion war jedoch ein entscheidender und notwendiger Schritt auf dem Weg zur Einheit Deutschlands.
Petra Hamann, Stadtarchiv
Der Text wurde der aktuellen Ausstellung des Stadtarchivs “Freiheit, Recht und Einigkeit“ zur Friedlichen Revolution in Coswig entnommen. Sie spannt den Bogen von den gefälschten Kommunalwahlen 1989 bis zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990. Originaldokumente, Zeitungen und Fotos aus jener bewegten Zeit begleiten die Texte. Zahlreiche Fotografien zeigen außerdem die städtebauliche Entwicklung Coswigs in den vergangenen 20 Jahren.
Die Ausstellung war im Rathaus vom 7. Mai bis zum 16. Oktober 2010 zu sehen.