Namen sind Schall und Rauch

Geschichte(n) zu den Coswiger Straßennamen

Namen sind Schall und Rauch – so sagt es zumindest das Sprichwort, doch für Straßen­namen sollte es keine Berechtigung haben. Straßen­namen sind nichts Vergängliches. Sie sollten so überlegt gewählt sein, dass sie für immer Bestand haben können. Fährt man heute aber durch die in unserer Umgebung wie Pilze aus dem Boden schießenden Eigenheim­siedlungen und liest die neuen Straßen­namen, bei denen sich die Inspiration der verantwortlichen Benenner meistens bei Baum-, Tier- und Blumen­namen erschöpfte, scheint das Sprichwort doch recht zu haben. Schade, denn es ist eine verschenkte Möglichkeit, die oft neu hinzu­gezogenen Bewohner eines Ortes für die geschichtliche Vergangenheit ihrer neuen Heimat zu interessieren, ihnen damit auch die Integration zu erleichtern. Straßenn­namen, die z.B. an alte Flurnamen, orts­geschichtliche Ereignisse, Persönlichkeiten aus der Geschichte des Ortes oder an nicht mehr vorhandene, aber einst bedeutsame Bebauung erinnern, regen an, über deren Bedeutung nach­zudenken, sie zu hinterfragen. Coswig hat zum Glück mehrere Straßen­namen, die diesen Anspruch erfüllen. Auf einige dieser Straßen­namen soll in kommenden Ausgaben des Coswiger Anzeigers in loser Folge etwas näher eingegangen werden.

Doch zunächst soll ein erster und nicht auf Vollständigkeit beruhender Streifzug durch Coswigs Straßen­namen vorangestellt sein.

Zu allen Zeiten war es offenbar schick, dass sich auch der kleinste Ort mit den Größen deutscher Geschichte schmückte, ohne Rücksicht auf einen orts­geschichtlichen Bezug. Wer auf einer unserer Dichter-Straßen (Schiller, Lessing, Heinrich Heine) wohnt, erwartet sicher nicht, dass diese einst dort wohnten oder gar geboren sind. Das Gleiche gilt auch für Komponisten (Beethoven, Mozart, Johann Sebastian Bach) und die anderen bedeutenden Männer (Melanchthon, Fichte, Luther, Pestalozzi, Röntgen, Robert Koch, Albert Einstein, ...) und Frauen (Käthe Kollwitz, Elsa Brandström, Louise Otto-Peters). Natürlich wollte man sie damit auch ehren, aber sie wären sicher nicht in Vergessenheit geraten, wenn es in Coswig keine Straße mit ihrem Namen gäbe. - Ob es eine Statistik gibt, wieviele Schiller-, Mozart- oder Beethovenstraßen es in Deutschland gibt? - Eugen d’Albert und Teresa Carreño hingegen waren in Coswig lange Zeit fast vergessen. Ihnen gebührt die Ehre als einstige berühmte Einwohner von Kötitz, dass Straßen­namen (die Straßen dafür befinden sich in Planung) in diesem Ortsteil die Erinnerung an ihren Aufenthalt dort wachhalten.

Problematisch waren zu allen Zeiten die Straßen­benennungen, mit denen ein politisches Herrschafts­system seine Macht dokumentieren wollte. So mussten Kaiser- und Königstraße, heute Linden- und Kastanienstraße und hoffentlich noch lange mit diesen Bäumen gesäumt, nach der November­revolution weichen. Ebenso wurden die Straßen­umbenennungen während des National­sozialismus, z.B. die Moritzburger Straße in Horst-Wessel-Straße, die Hauptstraße in Adolf-Hitler-Straße, folgerichtig nach dem Ende des II. Weltkrieges wieder rückgängig gemacht. Die bislang letzten umfangreichen Straßen­umbenennungen von 1990/91, dürften noch allen in Erinnerung sein, da auch öffentlich konträr diskutiert. Die erste Straßen­umbenennung (besser: -rückbenennung) nach der "Wende“ erfolgte bereits mit Rats­beschluss vom 25.01.1990 als Ergebnis einer Demonstration auf dem Platz vor der alten Feuerwehr. Die Straße, die nach Moritzburg führt, durfte endlich wieder Moritzburger Straße heißen, nachdem sie 1975 den Namen "Straße der Befreiung“ bekam.

Solche richtung­gebenden Straßen gibt es in Coswig noch einige. Die Benennung dieser, aus Feld- oder Fußwegen hervor­gegangenen Verbindungs­straßen, hatte früher eine größere Bedeutung für z.B. orts­unkundige Wanderer als heute im Zeitalter genauer Karten für jedermann oder gar Autopiloten. Die Weinböhlaer Straße führt eben von Coswig nach Weinböhla (siehe auch Kötitzer, Zaschendorfer, Brockwitzer, Naundorfer oder Dresdner Straße). Bei der Benennung der Niederauer Straße war man schon etwas groß­zügiger. Will man heute aber auf dem Steinbacher Weg nach Steinbach gelangen, wird es ziemlich abenteuerlich, seit dem er von drei Bahn­linien ohne Bahn­übergang zerschnitten wird.

Ein besonderes Kapitel sind die Straßen­umbenennungen, die sich infolge der Eingemeindungen nötig machten, um Dopplungen bei Straßen­namen zu vermeiden. Mit der Eingemeindung von Neucoswig nach Coswig im Jahr 1920 musste die Neucoswiger Haupt­straße umbenannt werden, da Coswig ja schon eine hatte. Seit dieser Zeit gibt es die Neucoswiger Straße. Sie erinnert somit an die einstige selbständige Gemeinde Neucoswig. Als 1935 Kötitz eingemeindet wurde, gab es in beiden Orten eine Fabrik-, Garten- und Bahnhof­straße. Aus gleichem Beweggrund wie bei Neucoswig wurde die Kötitzer Bahnhof­straße in Kötitzer Straße umbenannt. Die Fabrik­straße wurde zur Hohen Straße und die Garten­straße zur Vierhufen­straße. Bei letzterer geschah die Umbenennung unter Protest orts­geschichtlich Interessierter, da der verwendete Flur­name offensichtlich nicht korrekt war.

Die umfangreichen Straßen­umbenennungen durch die Eingemeindung von Sörnewitz und Brockwitz 1950 verdeutlicht nebenstehende Übersicht:

Ausgespart blieb dabei noch das Kapitel Dresdner Straße, die wichtigste Haupt­verkehrs­straße aller drei Orte. Hier gab es Probleme mit doppelten Haus­nummern. Außerdem hieß in Coswig das heutige Stück der Dresdner Straße von der Eisenbahn­brücke bis Orts­eingang Brockwitz noch Meißner Straße. Sie wurde ebenfalls zur Dresdner Straße, wie wir sie heute kennen, von Orts­grenze Radebeul bis Orts­eingang Meißen. Die Häuser erhielten Richtung Meißen aufsteigend neue Hausnummern.

Heute sind alle Umbenennungs­probleme vergessen und nur manchmal sorgen Sie noch für Verwirrung, wenn Bürger auf der Ost­straße keinen Betrieb finden, der aber laut historischer Unterlage dort ansässig war oder die Wald­straße in Kötitz, wo die Vorfahren doch früher wohnten, nicht gefunden wird. In der Straßen­umbennungs­akte von 1950 fehlt leider eine Übersicht (alt-neu) der Hausnummern­änderung der Dresdner Straße. Da bedarf es manchmal schon fast kriminalistischer Fähigkeiten, um z.B. Familien­forschern das ehemalige Wohnhaus ihrer Vorfahren richtig zuzuordnen.

Petra Hamann, Stadtarchiv