Gönner gaben Straßen Namen
Teil 1: Jaspisstraße
Da es für mich mit persönlichem Erleben verbunden ist, möchte ich mit diesem Straßennamen die kleine Fortsetzungsreihe zu Coswiger Straßennamen beginnen.
Vor gut 25 Jahren erhielten wir auf dieser Straße eine Wohnung und es interessierte mich, was es mit "Jaspis“ auf sich hatte. Der Blick in den Duden von damals klärte mich auf, dass es sich dabei um einen Halbedelstein handelt. Damit war ich zufrieden und fühlte mich leicht geschmeichelt, auf einer Straße zu wohnen, die den Namen eines Fast-Edelsteins trägt und blieb in dem Glauben 16 Jahre lang. Bis ich eines Tages im Stadtarchiv eine Akte in der Hand hielt, deren Titel ich mit Erstaunen las: Das Jaspis’sche Legat, Ergangen im Jahre 1871. Mit Spannung las ich in der Akte, die mich nicht nur über meinen Irrtum aufklärte, sondern auch ein Stück verlorengegangene Heimatgeschichte wieder lebendig werden ließ.
1871 geschah das, wovon heute jede Kommune in Anbetracht knapper Kassen träumt: Coswig wurde ein unverhoffter Geldsegen zuteil. Testamentarisch wurden dem Dorf Coswig bei Meißen 4000 Taler zugedacht. Der edle Spender war der aus Leipzig stammende Kaufmann Gustav Sigismund Jaspis, der am 30. Januar 1871 in Stettin starb. In seinem Testament, das er am 26. Januar 1870 beim Königlichen Gerichtsamt im Bezirksgericht Leipzig zur Niederschrift brachte, vermachte er u.a. auch der Stadt Meißen, weil sein Vater seine Jugend dort verbrachte, 4000 Taler. Da es in Meißen ebenfalls eine Jaspisstraße gibt, könnte auch hier ein Zusammenhang bestehen. Coswig erhielt das Geld mit der Begründung, dass seine Mutter in Coswig ihre Jugend verlebte. Jaspis verfügte, dass mit diesem Geld eine Stiftung errichtet werden soll, deren Zinsen zur einen Hälfte jährlich an vier männliche und vier weibliche arme, achtbare, der Unterstützung bedürftige Personen zu verteilen sind und zur anderen Hälfte zur Ausstattung der Konfirmation von je zwei Knaben und Mädchen zu verwenden sind.
Im August 1872 erteilte das "Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterricht“ die Genehmigung zur Errichtung dieser Stiftung und übergab dem Gemeinderat Coswig die Verwaltung des Stiftungskapitals. Es wurde ein Ausschuss für die Verteilung der Zinsen der Jaspisstiftung gebildet. Ihm gehörten der Pfarrer, der Oberlehrer und der Ortsrichter an, wie im Testament verfügt wurde. In den folgenden Jahren wurden mit dem Stiftungsgeld Hypothekendarlehen an Hausbesitzer zu je 1000 Taler bzw. später zu 3000 Mark ausgegeben und die Zinsen dem letzten Willen des Stifters gemäß verwandt.
1938 ging die Jaspisstiftung mit anderen wohltätigen Stiftungen in einer neu gebildeten Sammel-Fürsorgestiftung für Coswig auf. Im Dezember 1949 erfolgte der letze Hinweis in einer Akte auf diese Stiftung, dass infolge der Währungsreform über die Stiftungsgelder nicht verfügt werden kann, der Stadtrat beabsichtigte aber, sie später auf ein Wohlfahrtskonto zu übernehmen. Seitdem waren Herr Jaspis und seine Stiftung offensichtlich vergessen!
Wann bekam aber nun die Jaspisstraße den Namen des Wohltäters des Dorfes Coswig? Der von mir erhoffte Gemeinderatsbeschluss dazu ließ sich nicht finden. Lediglich in der Gemeinderatssitzung vom 19. März 1895 heißt es: "Die Benennung der Ortsstraßen betr. tritt der Gemeinderat den in "Coswiger Nachrichten“ Nr. 21, 1895 bekannt gegebenen Vorschlägen bei und soll das weitere demnächst veranlaßt werden.“ Leider ist eine Coswiger Zeitung erst ab 1906 im Stadtarchiv überliefert. So kann nur vermutet werden, dass die Jaspisstraße mit zu den vorgeschlagenen gehörte. Die Straßenakte zur Jaspisstraße aus dem Bauarchiv erhärtet diese Annahme. Folgender Eintrag ist unter dem 19. Januar 1896 zu lesen: "Die unterzeichneten Besitzer der an dem sogenannten Mittelwege (Jaspisstraße) gelegenen Parzellen haben in der heute stattgefundenen Versammlung und Besprechung folgendes beschlossen. Der vorgenannte bisherige Feldweg soll in nächster Zeit gerade gelegt und auf 10 Meter Breite vermessen werden. ...“ Und wer lange nicht mehr auf der Jaspisstraße war, der wird bemerken, dass sie eben wieder auf einem Stück ausgebaut wird.
Auch wenn das Straßenschild nicht unbedingt zum Ausbau der Straße gehört, könnte ich mir in diesem Zusammenhang ein Zusatzschild vorstellen, das den Straßennamen erklärt und Irrtümern s.o. vorbeugt! Außerdem wäre es ein kleiner Beitrag zur Ortsgeschichte, der die wohltätige Stiftung des Gustav Sigismund Jaspis, die über 70 Jahre bedürftigen Coswiger Einwohnern zugute kam, nicht vergessen läßt.
Petra Hamann, Stadtarchiv