Land unter in Coswig - die Flut von 1845
Kommt die Elbe wieder in ihr altes Bett? So fragten besorgte Anrufer aus dem Neubaugebiet Dresdner Straße an den vergangenen Hochwassertagen im Rathaus an, wohlwissend, auf welchem Grund ihre Wohnhäuser erbaut wurden. Obwohl das Wasser jetzt mit 9,40 m höher stieg als das höchste seit dem 16. Jahrhundert aufgezeichnete Elbhochwasser von 1845 mit 8,77m (alle Daten Pegel Dresden), blieb die Innenstadt Coswigs diesmal vor einer Rückkehr der Elbe verschont. Flußregulierung, Verbauungen, Kanalisation, Eindeichungen u.a. schufen andere Rahmenbedingungen.
Es ist ein Glücksfall, dass eine Hochwassermarke im Coswiger Stadtgebiet erhalten blieb und an das Elbhochwasser von 1845 erinnert. Den meisten Coswigern dürfte die Tafel an der Eckmauer des Grundstückes von Familie Baldauf bekannt sein (siehe Foto rechts).
Ein Glücksfall ist es vor allem deshalb, da sich diese Hochwassermarke ursprünglich am mittleren Torpfeiler des 1938 abgerissenen Bauerngutes Hantusch (neben dem Pfarramt) befand. Sie wurde geborgen und an dem uns heute bekannten Ort angebracht. Wer sich die Postkarte (aus dem Bestand des Museums Karrasburg) genau anschaut, kann die Hochwassermarke am Mittelpfeiler des Eingangstores erkennen.
Über das Hochwasser von 1845 gibt es in „Unsere Heimat“ (Beilage zum Coswiger Anzeiger) Nr. 11 und 12 von 1920 einen eindrucksvollen Bericht von R. Lindner. Dem Hochwasser vom 31. März 1845 war ein außergewöhnlich kalter und schneereicher Winter vorausgegangen. Die Elbe war zugefroren und manche Häuser waren ganz eingeschneit. Warmer Südwind brachte dann plötzliches Tauwetter. Die Elbe trat über die Ufer und ergoss sich weit in das Land. Lindner schrieb: „ ... Zwischen der Niederwarthaer Elbbrücke und Naundorf war schon von alters her ein Damm errichtet, der die andringenden Fluten aufhalten sollte. Zu seiner Unterhaltung hatte Coswig auch alljährlich seinen Beitrag zu leisten, und bei Hochwasser hatten Coswiger Einwohner mit für seine Erhaltung zu sorgen. Den gewaltigen Wassermassen von 1845 vermochte er aber nicht stand zu halten, obgleich fleißige Hände unermüdlich Steine und Erde herbeischleppten. ... Das Wasser bahnte sich so seinen Weg und suchte auch jetzt wieder sein altes Bett auf, floss nördlich, mitten durch Naundorf nach Zitzschewig bis zu den Hängen der Lößnitzberge, bog dann nach Westen um, stürmte und drängte nach Coswig, der Nassau, bis ihm die Posel einen Halt gebot. Hier wurde das Wasser wieder in sein gewohntes Bett gedrängt. Einige Dörfer, wie Coswig und Naundorf, waren ganz „ersoffen“. Andere, wie Zitzschewig und Kötitz ragten wie Inseln aus den Fluten hervor ....“
Vieh und Habseligkeiten brachten die Zitzschewiger Bauern in das höherliegende Neucoswig, die Coswiger auf den Spitzberg, wo sogar Baracken errichtet wurden und die Kötitzer auf den Hügel im Dorf, der „Heibsch“ genannt wurde (heutiger Standort der Villa Teresa). Da auch im alten Schulhaus das Wasser in den unteren Räumen bis unter die Decke stand, war für die Kinder (auch die Kötitzer Schulkinder kamen damals in die Coswiger Schule, da sie noch keine eigene Schule besaßen) vier Wochen schulfrei, was von den meisten sicher freudig in Kauf genommen wurde.
Als die Elbe sich in weiten Bereichen wieder zurückzog, tat sich für Coswig ein erneutes, ernstes Problem auf. Lindner schrieb dazu: „In dem tief gelegenen Coswig wollte sich das Wasser nun sehr lange nicht verlaufen. ... Es wurde beschlossen, einen tiefen Graben von Coswig durch Kötitz bis zur Elbe zu bauen. Doch die Bewohner von Kötitz, die von alters her denen von Coswig nicht gewogen waren, setzten dieser Absicht den größten Widerstand, der sogar in Tätlichkeiten ausartete, entgegen. Die Kötitzer wollten das Wasser nicht durch ihren Ort lassen. ...“ Ein Versuch, das Wasser durch einen Graben zur Lockwitz abzuleiten, scheiterte an ungenügendem Gefälle. Erst durch eine Verfügung der Amtshauptmannschaft Großenhain mussten die Kötitzer den Bau des Grabens dulden. „Mit 4 m Tiefe beginnend, führte man ihn zunächst bis an die Grenze von Kötitz, dann sollte er nach und nach 7m tief ausgeschachtet in die Elbe einmünden. Doch auch jetzt hatten die „feindlichen Brüder“ von Kötitz kein Erbarmen mit Coswigs Not. Oft kam es vor, daß die tagsüber mit großem Fleiß geleistete Arbeit von ihnen nachts wieder zerstört wurde. Auch lockerte das im Graben stehende Wasser die Sandmassen, so daß er teilweise von selbst einstürzte. Man wurde trotz aller Bemühungen des Wassers nicht Herr und mußte sich gedulden, bis es ganz allmählich versickert war. ...die Armut der damals in unserer Sandgegend Wohnenden war durch das Unglück noch viel größer geworden und Jahrzehnte vergingen, ehe alle Schäden des Hochwassers wieder ausgebessert und verschmerzt waren. ... Umfangreiche und kostspielige Flußregulierungen dürften aber eine Wiederholung der Katastrophe von 1845 für unsere damals so schwer heimgesuchte Gegend für immer unmöglich machen.“
Lindners Prophezeiung sollte nur bis zu jenem denkwürdigen 17. August 2002 gelten. Die Coswiger im Stadtgebiet bekamen durch die überquellende Kanalisation und den Grundwasserdruck eine Ahnung von dem, was die Menschen 1845 erleiden mussten. Aber ob es je die Einwohner der Brockwitzer Niederseite und die Altsörnewitzer so schwer und erbarmungslos getroffen hat wie jetzt, ist nicht überliefert. So bleibt nur zu hoffen, dass für die Beseitigung der Schäden nicht Jahrzehnte gebraucht werden, dass die richtigen Lehren aus dieser Katastrophe gezogen werden und der Natur zukünftig mit dem ihr gebührenden Respekt begegnet wird.
Petra Hamann, Stadtarchiv